1.EINLEITUNG Bakterien (griechisch
bakterion: Stäbchen), große Gruppe mikroskopisch kleiner, einzelliger
Organismen ohne echten, klar umrissenen Zellkern, die sich im Allgemeinen
durch Zellteilung vermehren.
Bakterien sind winzig, zwischen einem Mikrometer (tausendstel Millimeter)
und 0,75 Millimeter groß - eine Spezies der letzteren, für Bakterien
ungewöhnlichen Größe wurde nach einem 1999 erschienenen
Bericht der Zeitschrift Science am Meeresboden vor der Küste Namibias
entdeckt; die Art erhielt den Namen Namibische Schwefelperle (Thiomargarita
namibiensis). Bakterien versorgen sich auf unterschiedlichste Art mit Energie
und Nährstoffen. 1998 gelang es erstmals, das Gewicht von Bakterien
zu bestimmen: Die kleinsten Bakterien aus Tiroler Seen wiegen fünf
bis zehn Fentogramm (50 bis 100 billionstel Gramm). Bakterien finden sich
in nahezu jeder Umwelt: in Luft, Boden, Wasser, Eis und heißen Quellen.
Sogar hydrothermische Öffnungen im Meeresboden der Tiefsee beherbergen
Bakterien, die Schwefel für ihren Stoffwechsel nutzen. Manche Bakterienarten
kommen in fast allen Lebensmitteln vor. Bakterien gehen auch in unterschiedlicher
Weise Symbiosen mit den meisten Pflanzen und Tieren sowie anderen Lebensformen
ein.
2.KLASSIFIKATION In der derzeit angewandten
biologischen Systematik bilden Bakterien das Reich der Prokaryonten: Organismen,
in deren Zellen das Kernmaterial nicht von einer Membran umgeben ist. Etwa
1 600 Arten sind bekannt. Im Allgemeinen werden Bakterien aufgrund bestimmter
Eigenschaften systematisch zugeordnet, z. B. nach ihrer Form als Kokken
(kugelförmig), Bazillen (stäbchenförmig) oder Spirochäten
(spiralförmig); nach ihrer Zellwandstruktur; nach unterschiedlicher
Färbbarkeit (siehe Gram-Färbung); nach der Fähigkeit, in
An- oder Abwesenheit von Luft zu leben und zu wachsen (aerob bzw. anaerob);
nach der Fähigkeit, unter ungünstigen Bedingungen Sporen zu bilden;
nach serologischer Bestimmung ihrer Oberflächenbestandteile sowie
nach ihrer Nucleinsäureverwandtschaft.
In einer gängigen Klassifizierung werden Bakterien aufgrund ihrer
Zellwandeigenschaften vier Hauptgruppen zugeordnet. Zur Hauptgruppe der
Gracilicutes zählen Bakterien mit dünnen, gramnegativen Zellwänden.
Firmicutes besitzen dicke, grampositive Zellwände. Tenericutes verfügen
über keine Zellwände, und bei den Mendosicutes sind sie aus einem
anderen Material als dem für Bakterien typischen Peptidoglycan aufgebaut.
Zu den Mendosicutes zählen die Archaebakterien, eine Gruppe ungewöhnlicher
Organismen wie die methanbildenden Bakterien, die völlig anaerob leben
und aus Kohlendioxid und Wasserstoff Methan bilden. Weitere Beispiele für
Archaebakterien sind Halobakterien, die bei hohem Salzgehalt gedeihen,
und die Thermoacidophilen, die schwefelabhängig und äußerst
wärmeliebend sind. Es besteht die Ansicht, dass die Archaebakterien
als eigenes Reich klassifiziert werden sollten, da sie sich, wie jüngste
biochemische Untersuchungen ergaben, von den übrigen Bakterien grundsätzlich
unterscheiden: Sie sind Eukaryonten, d. h. ihr Zellkern ist von einer Membran
umgeben. Die vier Hauptgruppen werden weiter in 30 nummerierte Gruppen
unterteilt. Einige davon werden wiederum in Ordnungen, Familien und Gattungen
klassifiziert.
Als Gruppe 1 sind z. B. die Spirochäten angeführt, lange,
spiralförmige Bakterien mit gramnegativer Zellwand und zwischen Zellwand
und Zellmembran liegenden, faserigen Flagellen (Geißeln), die Fortbewegung
ermöglichen. Der Syphillis-Erreger Treponema pallidum ist eine Spirochäte
der Ordnung Spirochaetales und der Familie Spirochaetaceae.
Nicht alle Bakterien können sich bewegen, doch die mobilen unter
ihnen sind im Allgemeinen mit schraubenartigen Fortsätzen versehen,
den Flagellen. Diese können rund um die Zelle verteilt, an einem oder
zwei Enden, einzeln oder in Büscheln auftreten. Je nachdem, in welche
Richtung die Flagellen schlagen, bewegen sich Bakterien entweder vorwärts
oder drehen sich auf der Stelle. Ob sich das Bakterium fortbewegt oder
dreht, hängt von Rezeptoren in der Membran ab. Mit Hilfe dieser unterschiedlichen
Bewegungsarten können sich Bakterien z. B. auf Nahrungsquellen zubewegen
und von ungünstigen Umweltbedingungen entfernen. Bei einigen im Wasser
lebenden Bakterien, die eisenreiche Partikel enthalten, wurde festgestellt,
dass ihre Bewegung am Magnetfeld der Erde orientiert ist.
3.GENETIK Das Erbmaterial der Bakterienzelle liegt in Form eines kreisförmigen DNA-Doppelstranges vor (siehe Nucleinsäuren). Viele Bakterien besitzen auch kleinere kreisrunde DNA-Abschnitte, so genannte Plasmide, die ebenfalls Erbinformation enthalten, welche allerdings für die Fortpflanzung nicht wesentlich ist. Plasmide können durch so genannte Konjugation, einen Mechanismus zum Genaustausch, auf andere Bakterien übertragen werden. Weitere Methoden des Genaustauschs sind die Transduktion, bei der Bakterienviren (siehe Bakteriophage) DNA übertragen, und Transformation, wobei DNA direkt aus der Umgebung in die Bakterienzelle übernommen wird. Bakterienzellen vermehren sich durch Zellteilung. Dabei verdoppelt sich das genetische Material, das Bakterium dehnt sich aus, schnürt sich etwa in der Mitte ab und teilt sich vollständig. Es entstehen zwei Tochterzellen, die im Wesentlichen mit der Mutterzelle identisch sind. Einige Bakterien teilen sich alle 20 bis 40 Minuten. Unter günstigen Bedingungen, bei einer Zellteilung alle 30 Minuten, kann nach 15 Stunden aus einer einzigen Zelle eine Nachkommenschaft von etwa einer Milliarde entstehen. Eine solche Kolonie ist mit bloßem Auge wahrzunehmen. Unter ungünstigen Bedingungen können einige Bakterien eine veränderte Zellteilung durchlaufen und Dauersporen bilden. Dabei handelt es sich um ruhende Zellen, die extreme Temperaturen, Trockenheit oder Feuchtigkeit ertragen.
4.WIRKUNG DER BAKTERIEN Bakterien lassen
sich hinsichtlich ihrer Lebensweise in zwei Hauptgruppen unterscheiden:
Saprophyten, die auf totem tierischen oder pflanzlichen Material leben,
und Symbionten, die lebende Organismen besiedeln. Saprophyten sind für
die Zersetzung toter Tiere und Pflanzen wesentlich und führen damit
dem Boden wieder Nährstoffe zu. Symbiontische Bakterien kommen in
vielen menschlichen Gewebearten vor, z. B. im gesamten Verdauungstrakt
und in der Haut. Dort sind sie für einige physiologische Prozesse
unerlässlich. Eine solche Beziehung wird als mutualistisch bezeichnet,
d. h. sie beruht auf Gegenseitigkeit. Andere Symbionten versorgen sich
bei ihren lebenden Wirten mit Nährstoffen, ohne ernsten Schaden anzurichten.
Diese Form des Zusammenlebens wird Kommensalismus genannt. Eine dritte
Art, die Parasiten, können die Pflanzen oder Tiere, die sie besiedeln,
zerstören.
Bakterien verursachen das Verderben von Fleisch, Wein, Gemüse,
Milch und Milchprodukten. Sie verändern die Zusammensetzung solcher
Lebensmittel, so dass diese ungenießbar werden. Bakterienwachstum
in Nahrungsmitteln kann auch zu Lebensmittelvergiftung führen, wie
sie beispielsweise von den Erregern Staphylococcus aureus oder Clostridium
botulinum verursacht wird (siehe Botulismus). Andererseits sind Bakterien
in manchen Industriezweigen von großer Bedeutung. Die Fähigkeit
einiger Arten zur Fermentation wird für die Herstellung von Käse,
Joghurt, Sauerkraut und anderem sauer eingelegtem Gemüse genutzt.
Bakterien sind auch für die Produktion von gegerbtem Leder, Tabak,
Silofutter Textilien, Pharmazeutika, verschiedenen Enzymen, Polysacchariden
und Waschmitteln von Bedeutung.
Bakterien befinden sich in nahezu jeder Umgebung und tragen dort zu
den unterschiedlichsten biologischen Abläufen bei. Beispielsweise
können sie Licht erzeugen, wie bei der Chemolumineszenz toter Fische
(siehe Biolumineszenz). Sie sind auch in der Lage, ausreichende Temperaturen
für eine spontane Entzündung in Heuschobern oder Hopfenspeichern
zu verursachen. Durch die Zersetzung von Cellulose bilden einige anaerobe
Bakterien in Stillgewässern Sumpfgas. Andere tragen durch Oxidierungsprozesse
zur Bildung von eisen- und manganhaltigem Sumpferz und Ockerablagerungen
bei.
Bakterien haben immensen Einfluss auf Art und Zusammensetzung des Bodens.
Mit ihrer Hilfe werden organische pflanzliche und tierische Überreste
sowie anorganische Gesteinspartikel vollständig zersetzt. Dadurch
werden ungeheure Mengen an Pflanzennährstoffen gewonnen. Außerdem
reichern Hülsenfrüchter mit Hilfe von Rhizobium radicicola und
anderen Bakterien den Boden mit Stickstoff an. Diese Bakterien besiedeln
die Pflanzenwurzeln und sorgen für das Wachstum stickstoffbindender
Knötchen (siehe Stickstofffixierung). Es gilt als gesichert, dass
die Photosynthese, auf der das Pflanzenleben basiert, ursprünglich
von Bakterien entwickelt wurde. Die kürzliche Entdeckung eines ungewöhnlichen
Photosynthese betreibenden Bakteriums, des Heliobacterium chlorum, wird
möglicherweise zum Verständnis dieser grundlegenden Entwicklung
in der Geschichte des Lebens beitragen.
5.PATHOGENE BAKTERIEN Ungefähr 200
Bakterienarten sind pathogen (krankheitserregend) für den Menschen.
Die Pathogenität der einzelnen Arten ist sehr unterschiedlich und
hängt sowohl von der Virulenz (der schädlichen Aktivität)
der einzelnen Art als auch vom Zustand des Wirtsorganismus ab. Zu den virulenteren
Bakterien zählen beispielsweise die Erreger von Cholera, Tetanus,
Gasbrand, Lepra, Pest, Ruhr, Tuberkulose, Syphilis, Typhus, Diphtherie,
Brucellose und einigen Formen der Lungenentzündung. Bis zur Entdeckung
der Viren hielt man Bakterien für die Erreger aller Infektionskrankheiten.
Die pathogenen Wirkungen von Bakterien auf Körpergewebe lassen
sich in vier Klassen einteilen: (1) Direkte örtliche Wirkung auf das
betroffene Gewebe, wie bei Gasbrand, hervorgerufen durch Clostridium perfringens;(2)
mechanische Wirkung, beispielsweise wenn eine Vielzahl von Bakterien ein
Blutgefäß blockiert und somit einen infektiösen Embolus
(Gefäßpfropf) bildet; (3) Wirkungen durch eine Körperreaktion
aufgrund der bakteriellen Infektion von Körpergeweben, z. B. Hohlraumbildung
in der Lunge bei Tuberkulose oder Gewebszerstörung am Herzen durch
Antikörper bei rheumatischem Fieber; (4) Wirkungen bakterieller Toxine:
chemischer Stoffe, die für manche Gewebe giftig sind. Toxine sind
im Allgemeinen artspezifisch. So unterscheidet sich beispielsweise das
Diphtherie verursachende Toxin von dem, das Cholera hervorruft.
6.ANTIBIOTIKA Verschiedene Mikroorganismen,
darunter bestimmte Pilze und einige Bakterien, bilden chemische Stoffe,
die auf spezifische Bakterien toxisch wirken. Solche Substanzen, z. B.
Penicillin und Streptomycin, nennt man Antibiotika. Sie töten Bakterien
entweder ab oder verhindern ihre Vermehrung. In den letzten Jahren spielen
Antibiotika eine zunehmend wichtige Rolle bei der Bekämpfung bakterieller
Erkrankungen. Siehe auch Antiseptika, Bakteriologie, Krankheit.
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